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„Das Leben wird nach vorne hin gelebt und nach hinten hin verstanden“, zitierte Wolf Biermann den Philosophen Kierkegaard einst.

 

Hierzu gibt es eine gelungene Erläuterung:

Gedanken zum Zitat von Christa Schyboll

Vieles, was wir im Leben erleben, können wir in seiner Bedeutung für unser Schicksal oft noch nicht direkt voll erfassen. So manches wird uns erst im Rückblick klar und erhellt uns die tatsächliche Dimension. Dies können Begegnungen mit besonderen Menschen gewesen sein, die uns ganz neue Impulse verschafften und uns so tief beeindruckten, dass dies tatsächlich etwas mit uns in Folge machte, was ohne sie nicht passiert wäre. Oder vielleicht hatten wir einschneidende Erlebnisse, die uns im Nachhinein erst ein rechtes Verständnis zum eigenen Lebensentwurf brachten. Diese können Pech oder Gefahr gewesen sein, aber auch Glück oder ein Karrieresprung nach oben.

Was immer wir erleben, prägt uns auch in gewisser Weise. Wie sehr es uns aber prägt, bekommen wir zumeist in der Gegenwart dieses Erlebens noch nicht wirklich mit. Es braucht meist den Faktor Zeit, um uns darüber im Klaren zu werden. Wenn wir dann den berühmten Rückblick im Alter tun, staunen wir nicht selten darüber, wie Gutes manchmal zum Schlechten führte oder etwas sehr Unangenehmes die erste Sprosse auf der Trittleiter zum Allerbesten wurde, das uns nur passieren konnte. Das Leben verläuft nicht gerade und ist auch in seinen Irrungen und Wirrungen nur bis zu einem gewissen Punkt für alle Menschen planbar.

Das Ungeplante, was uns begegnet, ist aber genau der Moment der Spannung, der das menschliche Leben in besonderer Weise auszeichnet. Auf das Spontane, Unerwartete und Plötzliche adäquat reagieren zu können, braucht schon eine gut Portion Geistesklarheit und Nüchternheit. Manchmal aber verlangt das Leben von uns auch Witz, Humor, innere Größe oder ein großherziges Handeln, um eine vom Schicksal gestellte Aufgabe gut zu bewältigen.

Es ist ein Irrtum zu glauben, dass wir uns selbst allein unsere Aufgaben im Leben stellen und diese alleine aussuchen. Wäre das der Fall, so würden wir weder Unfälle erleben noch all die merkwürdigen Situationen, die uns in Bredouille, Schock oder auch in helle Aufregung versetzen. Das Positive mag man ja gerne planen – aber das Negative, Schwierige ereignet sich dennoch aus einem Grund: Wir sind Lernende auf dieser Erde, werden als solche herausgefordert und haben unsere Talente dafür einzusetzen.

Wie das Leben zu leben ist

Leider ist es so, dass den meisten Menschen die geheimnisvollen Zusammenhänge ihres eigenen Lebens oft erst im Alter so nach und nach richtig klar werden. Manche hintersinnige Ereignisse wollen und werden sich vielleicht auch niemals wirklich erschließen. Wie oft denkt man: „Ach hätte ich das doch geahnt! Hätte ich das doch nur früher gewusst! … Dann hätte icn anders gehandelt“. Søren Kierkegaard beschreibt diesen Zustand mit der Anmerkung, dass man das Leben vorwärts leben muss, auch wenn man es erst rückwärts begreift.

In diesem Umstand, dem wir alle unterliegen, liegen aber nicht nur Irrtum, Ärger, Anstrengung und Unbill verborgen, sondern vor allem liegen darin die großen Chancen, daran zu reifen. Was verhilft uns mehr zu einer stabilen Persönlichkeit als ausgerechnet solche Aufgaben, die uns an die eigene Grenze führen. Wüssten wir schon immer im Voraus, was uns alles in Zukunft blüht, so wäre das für viele Menschen eine viel zu große Belastung, die sie schon im Vorhinein müde oder verzagt werden lassen könnte.

Es ist gut, dass wir es nicht wissen sondern weiterhin darauf vertrauen können, dass uns allen in aller Regel auch genug Kräfte für die Lösung anstehender Probleme gegeben sind. Allerdings gibt es sie nicht zum Nulltarif. Die meisten von uns müssen oft viel oder sehr viel dafür tun. Sie müssen sich anstrengen und überwinden, um dieses oder jenes persönliche Ziel zu erreichen.

Es scheint eine wunderbare Weltenweisheit dahinterzustecken, dass wir den Mut trotz vieler Rückschläge im Leben nicht verlieren, sondern uns selbst in unserer menschlichen Münchhausen-Mentalität immer wieder neu am Schopf aus dem Sumpf des Lebens ziehen. Auch um zu erkennen, dass das Leben keinesfalls nur Sumpf ist, sondern dort herum auch wunderbares Paradies zu finden ist, das jedoch wieder und wieder von uns allen neu erobert werden will.

Die Klugen werden den Rückblick auf das Leben jedoch nicht erst im Alter werfen, sondern werden schon früh mit der Zwischenbilanz beginnen. Sie sind im Vorteil, weil vieles, was Staunenswert ist und gemerkt werden will, früher der Vernunft zur Verfügung steht, die mit diesem wertvollen Pfund dann auch wuchern darf.

 

Vorne im Bild das junge Lebensglück, im Hintergrund die alten und toten Fichten…

 

 

 

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